[18 GESCHICHTEN: DER BESUCH]


Und neulich, das muss ich dir erzählen!

Ist nicht wahr?

Wie ichs doch sag! Du kennst ja diesen Bengel, den Robert, der ist ja eigentlich kein sonderlich aufgewecktes Kerlchen, wie ich den aus der Schule kenne. Aus dem wird mal nichts, sag ich dir, zu meinem Mann sag ich jedesmal, aus dem wird mal nichts, sag ich. Na ach, der kann einem schon leid tun, ist ja ein ganz Lieber normalerweise, du kennst den doch.

Ja.

Na sag ich doch. Und da sitz ich also bei mir zu hause, will gerade ein schönes Buch lesen, ich hab doch diese Elisabeth Woods oder heißt die so? entdeckt, mit Namen hab ichs ja wirklich, also ich sag dir, die ist ganz großartig, wirklich wahr, von der muss ich dir mal was mitbringen. Mein Mann liest ja nicht so gern, sitzt lieber an seinem Computer und macht irgendwelche Sachen, Männer und Technik, wie Kinder, na mir solls egal sein. Aber er könnte doch mal wirklich zur Abwechslung was lesen, wo doch das Fernsehprogramm so nachgelassen hat.

Ja.

Nicht, das hab ich auch gesagt, lies doch mal was, bei dem schlechten Fernsehprogramm, was die da jetzt immer bringen, nur Gewalt und Superstars und nackte Frauen, man kommt gar nicht hinterher. Da kann ja nichts aus der Jugend werden, sag ich, wenn die sich so ein Zeug angucken müssen, sag ich. Da istzt er halt lieber am Computer. Soll er machen, meinetwegen, mir ist das doch egal.

Doch, ja.

Na und neulich, also da wusst ich gar nicht, was tun, da war ich so durcheinander gekommen, sag ich dir. Da hab ich also endlich mal wieder ein bisschen Zeit, man kommt ja gar nicht mehr zu sowas wie Freizeit heutzutage, der Haushalt frisst einen ja auf. Also ich sage dir, der Haushalt frisst einen heutzutage auf, einfach auf. Und von uns bleibt nichts übrig. Und auf einmal klingelt das doch nicht bei mir, ich denke, nanu, wer kann das denn um diese Zeit sein, es ging so auf Sieben und mein Mann kommt nicht vor acht. Mach ich auf und wer steht vor mir - du glaubst es nicht. Der Robert! Ist das zu fassen?

Kann das wahr sein?

Jajaa, sag ich, was machst du denn hier? Frau Rübinger, sagt der sofort, ich muss mich mit Ihnen unterhalten. Na, da war ich platt. Also da war ich einfach überrumpelt. Was will der sich denn mit mir unterhalten, und wieso nun ausgerechnet mit mir, frag ich dich? Konnt ich ihn gar nicht zurückhalten, da war der schon im Zimmer. Ich hab jetzt zwei Stunden frei, sagt der, und jetzt müssen wir uns unterhalten, sagt der. Ja wie, was denn unterhalten, frag ich noch? Na so eben, sagt der, stell dir vor. Sagt der, ich muss bei Ihnen meine zwei Stunden verbringen, die ich jetzt Zeit habe, sagt der. Was denn für zwei Stunden, sag ich, du bist ja ganz aufgedreht, sag ich. Ach was, sagt der und fängt sofort an, mir was zu erzählen, ein richtiger Wasserfall ging da los. Und kein Knopf zum Ausmachen da. Na, mein Buch konnt ich natürlich vergessen. Bin ich in die Küche und hab erstmal einen kleinen Schluck genommen, das konnte ja was werden jetzt, der bei mir und nicht zu bremsen.

Ja.

Na, der Robert ließ sich ja gar nicht bremsen, der wollte ja gar nicht, wenn der einmal in Fahrt ist, dann hört der nicht mehr auf. Da kennt der nichts. Immer bababababababababababbb gings die ganze Zeit, er hätte jetzt zwei Stunden Zeit, weil er nachher ins Kino muss. Er sei zu früh, hat der gesagt. Zu früh! Überleg dir das mal, da geht der zu früh ins Kino! Also das ist mir noch nicht passiert, zu früh ins Kino! Bist du schonmal zu früh in irgendein Kino gegangen? Und zwar gleich zwei Stunden! Da guck ich mir doch nen anderen Film an, hab ich dem gesagt. Nein, sagt der vehement und lässt nichts gelten. Das geht nicht, sagt der. Wieso denn das, Robert, sag ich. Nein, sagt der, völlig unmöglich, sagt der, ausgeschlossen. Also der kann ja schon ganz schön rigoros sein, wenn er möchte, wenn der sich was in den Kopf setzt, dann muss das auch genauso gemacht werden, und zwei Stunden zu früh sind zwei Stunden zu früh. Von mir aus soll er halt zwei Stunden zu früh sein, aber das ist doch kein Grund, sich bei mir einzunisten, also wirklich mal. Nachher fällt dem noch ein, vier oder fünf Stunden zu früh zu kommen, also das hältste ja im Kopf nicht aus!

Wirklich. Noch Kaffee?

Ja, sag ich.

Ich geh mal holen.

Ja. Ja. Sag ich. Na, ich hab den dann einfach reden lassen, das ging da rein, da raus, hörste, daaa rein und daaa wieder raus! Das hat den üü-ber-haupt nicht ge-stört, das war dem kom-plett eee-gaal, hörste?

Ja-ha.

Und irgendwann konnt ich sogar doch noch anfangen zu lesen. Das hat der gar nicht mitgekriegt. Der wollte bloß reden, irgendwelches Zeug von sich geben. Der hört sich ja so uuun-glaaauuu-blich gerne reden.

So, Kaffee?

Ja, mach, nur zu. Aber nicht zu viel, ich muss dann auch los, mein Mann wartet bestimmt schon.

Na trink nur noch aus.

Ja, recht haste, austrinken soll man schon noch, nur nicht hetzen lassen, ist eh alles schon so hektisch heutzutage, nur nicht hetzen Sag mal, das Fernsehprogramm ist aber auch schlecht geworden.

Wirklich wahr.

Nicht wahr, sag ich, eine Zumutung. Und der Robert, ja, der ist ja nun auch so. Und wenn der einem was erzählt, was der für wichtig empfindet, ja, dann, guck, dann guckt der immer so, guck, so guckt der, so angestrengt und wichtig, hat sich sooo einen Schlips umgebunden, und ein gestärktes Hemd, hat sich noch von irgendwoher einen Anzug besorgt, und dann stolziert der durch die Gegend, dass es ne Freude sein kann. Also wenn, dann richtig, sag ich.

Dann richtig.

Sag ich. Und ich sag dir, wenn ich den nicht nach zwei Stunden rausgeschmissen hätte, der wär mir die ganze Nacht nicht aus der Wohnung gegangen. Der hätte sich noch mit meinem Mann unterhalten. Du musst ja bloß bei dem sitzen, brauchst ja überhaupt nicht zuhören, einfach so dasitzen und dann redet der und redet der, das ist für den ne echte Beschäftigung, reden reden reden, ganz egal was, das kann über Gott und die Welt sein, ich versteh das meiste davon sowieso nicht, was der erzählt. Du ich sag dir, der hat sich so komische Dinge einreden lassen, so ganz abstruses Zeug, so mit Außerirdischen und Kohlrabi, das hältste im Kopf nicht aus, wenn du dem zuhören willst. Und das geht in einer Tour, in einer Tour geht das.

Ja.

Jedenfalls sag ich, ich sag dir, ich kann nur hoffen, dass der nicht in den nächsten Monaten noch einmal so eine glorreiche Idee hat und mit mir irgendwas besprechen will. Aber ich kann den ja auch nicht so abweisen, wenn der da nunmal vor der Tür steht. Was machste denn da, auf einmal steht da so ein junger Kerl, der eigentlich für nichts was kann und halt wirklich kein helles Köpfchen ist, ist ja auch immer von allen gehänselt worden, manchmal auch bös verprügelt worden nach der Schule, also der tut einem schon leid. Leicht hat ders wirklich nicht, keine Ahnung, wie das die Mutter aushält, muss ja ne Anstrengung für die sein, die ist so ne ganz Ruhige gewesen, keinen Ton hat sie gesagt und nichts, wenn sie mal in der Schule war. Und da nimmt der natürlich alles, was er kriegen kann, na, dass es dann halt mich trifft: Nehm ich ihm ja nicht übel. Aber auf Dauer muss es nun wirklich nicht sein.

Nein, wirklich.

Ja, sag ich, Robert, sag ich, jetzt ists halb Neun, vor zwei Stunden biste gekommen, und jetzt muss ich auch mal wieder was tun. Konnt dem ja nicht sagen, dass mein Film schon angefangen hatte. Ja ja, Frau Rübinger, ich geh schon, ich geh schon, sagt der. Und dann ist der auch innerhalb von Sekunden aus der Wohnung gewesen, so schnell, wie der auftauchte, so schnell ist er auch wieder verschwunden gewesen. Also ein Kerlchen ist das, sag ich dir.

Ja.

Aber aus dem wird mal nichts.




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© sascha preiß 2003