[DER BRAND VON MOSKAU]


In Petuschki bin ich noch immer nicht gewesen. Ich habe auch keine Schönheit, die mich da erwartet. Trotzdem gebe ich mir die größte Mühe.

Der Bahnhof ist kalt. Der Wind ist kalt. Der Mantel ist kalt. Der Wodka in der Flasche ist kalt. In dieser Flasche. In mir Flasche wird alles zur Glut.

Die Straßen sind kalt und weit. In dieser Nachtzeit säuft kein Mensch mehr durch die Gegend. Nicht einmal Frauen. Gogol war nicht wahnsinnig. Puschkin war wahnsinnig. Wenedikt war wahnsinnig verliebt. Er hat sich einfach auf diese Bank gesetzt, die Züge angeschaut und war verliebt. Kein Mensch konnte ihm das nachmachen. Auch Frauen nicht. Nicht einmal Hunde. Nicht mit der größten Anstrengung. Wenn ich mich zu mir nach hause setze, passiert gar nichts. Kann der Wodka so kalt sein, wie ich möchte. Trotzdem komme ich nicht vom Fleck. Das ist so mit den Schönheiten. Man kann sie trinken, aber man wird einfach nicht wahnsinnig. Dabei trinke ich immer nur Moskauer. Das ist der mit dem roten Etikett. Macht eine Höllenglut. Man muss wahnsinnig kalt sein, um so ins Glühen zu kommen. Ich bin ein Heißtrinker. Als mir die Küche abgebrannt ist, hab ich meiner Mutter verziehen, dass sie mich rausgebracht hat. Vom Bahnhof zu mir nach hause ist es ein gutes Stück. Eins von Puschkin. Ich fühlte mich ganz und gar veröffentlicht, als ich so zur Welt kam. Dabei konnte sie nichts dafür. Ich habe vollkommen grundlos zu trinken angefangen. Und trotzdem ist die Küche abgebrannt. Und als ich so von einer Mutter veröffentlicht wurde, ist ihr auch die Küche abgebrannt. Das war nicht geplant. Es war einfach kalt. Ich gehe nach hause und sitze seit Stunden in der Küche. Den General zu trinken ist gar nicht so einfach. Ich habe auch schon vergessen, wie die Befehle lauten. Doch ich muss es schaffen, den General zu trinken. Den kaiserlichen Mantel habe ich seitdem nicht mehr abgelegt. Ich trage ihn ewig, kalt wie er ist. Die Flaschen auf dem Küchentisch, ich habe sie stundenlang belagert. Ich versuchte, sie den Regeln der Trinkkunst gemäß zu leeren. Wenn man keine Schönheit hat, wird man General der Trinkkunst. Mir wurde wohlig warm. Die Generalregel verlangt ein Flasche in sechs Schlucken. Dazu kommen noch die Kommandos. Sechs Schlucke, ich brauchte sieben oder acht. Meinen Lieblingswodka mag ich nicht ganz so schnell. Aber ich hatte keine Zeit. Es ging um meine Schönheit. Mit der letzten Flasche gelang es: Moskau war in sechs Schlucken eingenommen. Ich bin des Generals würdig. Wenn mich meine Mutter jetzt sehen könnte. Ich rauchte feierlich eine Zigarette. Dann hat sich von der ganzen Glut Moskaus und meiner und der Zigarette der Tisch entzündet und alles brannte. Der Bahnhof ist kalt. Das Einzige, das ich weiß: Wenn ich nicht weitertrinke, bekomme ich einen wahnsinnigen Brand. Ich muss nach hause. Und es ist eine Beleidigung, dass ich nicht in Petuschki war. Nur, weil dort keine Schönheit auf mich General wartet, ist das kein hinlänglicher Grund. Ich trinke trotzdem. Auf dem Bahnhof kann ich aber nicht verliebt sein. Ich bin kein Wenedikt. Ich gehe diese kalte Straße um die nächse kalte Ecke, da bin ich fast zu hause. Dort wartet ein kalter Kiosk mit kalten Flaschen. Kaltes Moskau. Wenn mir der letzte Rest abhanden kommt, wird mir kalt. Da gibts einen Brand. Da ists nicht kaiserlich. Dann brauche ich unbedingt eine Küche. Einen Herd, eine Mutter. Ich muss vom Fleck kommen. Der Fleck ist kalt. Gogol ist kalt. Puschkin ist furchtbar kalt. In mir wird alles zu Moskau. Ich bin meine eigene Erlöserkirche. Der Rote Platz ist kalt. Der Kreml ist kalt. Lenin ist seit langem kalt. Meine Mutter ist an Moskau unschuldig. Ich scheiße auf Petuschki. Wenn ich eine Schönheit hätte, hätte ich einen Grund. Der Rote Platz ist das Etikett. Im Kiosk zeige ich kalt darauf. Ich brauche mein Moskau, um keinen meiner Brände zu bekommen. Dieses Moskau ist in dieser Nachtzeit so leer. Die Straßen sind weit. Meine Mutter konnte nicht kochen. In der Flasche ist nur ein kleiner kalter Rest. Ich habe keinen Wodka, um den Brand zu löschen. Die Küche war einfach weg. Ich, der General, stand in Flammen. Das Haus stand in Flammen, sogar in den selben. Wir sahen uns verliebt an. Das hat auch Wenedikt nicht gekonnt. Der Bahnhof ist weg. Der Kiosk ist weg. Die Luft ist glühend heiß. Die Straßen in Moskau sind ein glühend heißes Pflaster. Mein Brand ist nicht zu löschen. Meine glühende Mutter muss nachher aufräumen. Sie wohnt immer noch nicht in Petuschki. Moskau macht so schön warm. Ohne Moskau verdurste ich.







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© sascha preiß 2005