[MONSIEUR CHARLES LA TANE]


[GEORG KLEINS ROMAN Barbar Rosa]


Nach dem großartigen Roman Libidissi ist im Frühjahr 2001 der (vermeintliche) Nachfolger Barbar Rosa erschienen, "eine Detektivgeschichte" - ein vermeintlicher Nachfolger ist Barbar Rosa deshalb, weil er später als Libidissi erschien, aber wesentlich früher - Anfang der 90er - geschrieben wurde.

Das Spielchen mit trivialliterarischen Genres ist bei Klein vertraut: Der zuerst erschienene Roman war nur wenig anderes als der jetzt neue, ältere, gefeierte zweite, nämlich ein Agentenroman, ein Krimi und gute Unterhaltung, genau so, wie's sein soll. Aber leider leider, so spannend Libidissi war, Barbar Rosa ist wesentlich dünner, handlungsärmer und wirkt wie ein Abguss; ist ins moderne Berlin verlegt (zumindest in ein an Berlin gemahnendes Stadtgewebe - gesprochen wird nur von der "Hauptstadt") und mit einem Dümmling als Hauptperson ausgestattet. Logisch: denn 1.) ein Spiel mit dem Detektivgenre führt in die Nähe eines komplett unfähigen Kommissartypus (als Abkehr von Mr. Holmes), und 2.) wenn ein Krimi im vermeintlich Berliner Schreckschussmoloch spielt, gibt es keine andere Möglichkeit mehr, als einen Großstadttrottel-Kommissar, einen Lächerling, einen trinkseligen Dödel als Helden zu produzieren, denn Berlin ist im Gegensatz zur erfundenen Stadt Libidissi kein Pflaster für "ernsthafte Konflikte", sondern immer schon Karikatur.

Und im Text - immerhin kann Klein sehr gut schreiben, die Romanstimmung, das "Flair" ist ein gänzlich anderes als im Vorgänger-Nachfolger - tauchen dann auch die selben Figurtypen auf, wie vorher, anders gewichtet und ver-handelt: eben das undurchsichtige Stadtgewebe, das kleine Mädchen, die mediale Verstörung, das unheimliche Problem, der Mond und seine Macht, die flüssige Droge - aber es ist nicht aufregend, es ist nicht ansatzweise spannend, sondern einschläfernd.

Auch die Verweise zum Romantitel (Achtung, Wortspiel Barbarossa - und wie soll's anders sein: zum Schluss ist des Helden Bartwuchs hinter der Maske rötlich): permanent ist irgendein Detail rosa oder hellrötlich oder zartrot oder ein Rot hinter Watte oder..., dass also alles so schön mit dem Titel zusammenhängt und inhaltlich verknüpft ist, huhu, was für ein spannendes Verfahren, die ganzen Verweise herauszuarbeiten und daran rumzuinterpretieren.

Insgesamt ist alles ganz unklar und unsicher und vage und scheinbar, also der übliche Schein-Wirklichkeit-Widerspruch, der den Helden unausweichlich und überraschungslos befällt, ach wie ermüdend ist das alles: insgesamt eine einzige gut geschriebene Scharlatanerie. Eine Geschichte, die niemanden ernsthaft interessiert und zu keiner Zeit, nie und niemals nicht, interessant wird. Ein Text, der als große Erzählung daherkommt (v.a. in den wohlmeinenden Kritiken), aber "nur" gut geschrieben ist, ansonsten nichts - in Worten NICHTS - verhandelt und erzählt, lediglich Geschichtenfetischismus betreibt: erzählens ma was, Herr Autor, mer hörn aa alle zu. Es gibt kein Thema, es gibt nur (im Libidissi-Roman ebenso angesiedeltes) Zeug, das durcheinandergeraten ist und verquirlt wird. Der gesamte Text besteht im Grunde aus allerhand Versatzstücken, die zusammengepuzzelt sind und miteinander einen Roman machen: Das ist irgendwie nett, nirgendwo komisch und führt grundsätzlich ins Aus: der Text zum Jenseits und zur schein-sinn-toten Postmoderne. Das muss man nicht mitanlesen.

Was in Libidissi noch eine Spannung erzeugte, nämlich die Vagheit der fremden Welt und das boshaft Abweisende, das eigenes und fremdes gegenseitig ausgezeichnet und ausgepeilt und von einander abgestoßen hat, das ist hier im problemlosen Umfeld gänzlich nackt und überflüssig und Pose und Masche und humorlos und ausgedacht und kalkuliert und total uninteressant.

Wie ein ganzer Haufen moderner Autoren hat auch Klein das Problem der permanenten Selbstwiederholung: Barbar Rosa ist Libidissi alt-neu zusammengestellt und in einem nach Berlin aussehenden Krümelgelände angesiedelt. (Die Tatsache, daß es im Roman um einen Überfall auf einen danach verschwundenen Geldtransporter geht, hat die Süddeutsche Zeitung als literarische Umsetzung der verschwundenen CDU-Millionen gelesen! Bravo nach Süddeutschland.)

Barbar Rosa ist ein gutes Buch zum Einschlafen; die Kapitel sind nicht länger als fünfzehn Seiten, haben also die richtige Länge, um beim Umblättern zum neuen Kapitel - wobei die Kapiteleinteilung meist nur als Platzgewinn zur Seitenausbeute gedeutet werden kann, es gibt kaum Brüche zwischen den Kapiteln, sonder nahtlose Übergänge - also beim Umblättern ins neue Kapitel ist man schließlich eingeschlafen und hat augenblicklich alles vergessen und ärgert sich nach dem Aufwachen permanent, für so eine Scharlatanerie € 19,50 ausgegeben zu haben. Scharlatanerie deshalb, weil Klein großartig erzählen kann, allerdings einen ermüdend langweiligen und vorhersehbaren Text - Wer wollte ernsthaft bezweifelt haben, daß es am Ende gut ausgeht? Wer wollte bezweifelt haben, daß es wiedermal zum großen Showdown kommt? - geschrieben hat. Und noch viel mehr Scharlatanerie, weil das, was er in Zukunft zu veröffentlichen gedenkt, dieser Form einschläfernder, thematisch belangloser, selbstbespiegelnder, narzisstischer Literatur in nichts nachstehen wird. Was soll man also sagen: vielleicht das:

"Ach, was muß man oft für schmalen / Textkram blechen und bezahlen."


Georg Klein: Barbar Rosa





Georg Klein: Barbar Rosa.
Alexander Fest Verlag 2001, 203 Seiten.



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© sascha preiß 2008